Choleriker

Das Auftreten von Jähzorn in unserer Gesellschaft ist keine Seltenheit. Laut Theodor Itten, einem Schweizer Psychologen, hat jeder vierte Erwachsene…

Einleitung

Kennst du das?

Choleriker: Es ist Montag. Deine Kollegin und du sitzen entspannt, jede für sich in ihre Aufgaben vertieft am Laptop. Plötzlich fliegt die Tür auf, dein Chef poltert in das gemeinsame Büro und schon an seinem hochroten Kopf und dem zerknirschten Gesicht mit den zusammengekniffenen Augenbrauen kannst du erkennen, dass irgendetwas nicht stimmt.

Du schaust erschrocken auf. In seiner Hand wedelt er mit einem Schriftstück, das du aufgrund der Entfernung von deinem Stuhl aus gar nicht weiter identifizieren kannst. „Jetzt bloß nichts Falsches sagen.“, schießt es durch deinen Kopf. Nützt aber nichts. Noch bevor du etwas äußern kannst, prasselt ein Donnerwetter über dich hinein. Auslöser war, so stellt es sich heraus, dass du zum Kopieren die falsche Papierstärke benutzt hast. Eine Lappalie also. Die Bürotür fliegt mit einem „Krach“ wieder zu.

Du bleibst mit weit aufgerissenen Augen, sprachlos und verwirrt zurück. Die Kollegin zeigt mit einer bedeutenden Handbewegung mit kreisendem Zeigefinger am Kopf „Mr. Cholerisch hat wieder einen seiner Montage.“

Begriffsklärung

Wenn man den Montagsblues, den die Kollegin hier geltend macht, mal beiseite lässt…was ist ein Choleriker bzw. wann sprechen wir von einer Person als cholerisch?

Hätte der antike griechische Arzt Hippokrates von Kos (ca. 460 v. Chr. – 370 v. Chr.) die eingangs geschilderte Büroszenerie im Jahr 2022 mitverfolgen können, hätte er deinem Chef ein Übermaß an Gallensaft im Körper nachgesagt – das altgriechische Wort “chole” bedeutet ins Deutsche übersetzt nämlich “Galle” oder “Gallensaft”.

Auch heute noch finden sich in unserem Sprachgebrauch in Bezug auf das Organ Galle negativ konnotierte Sprichwörter wie “Ihm kommt die Galle hoch”, “Sie spuckt Gift und Galle”. Ein Choleriker ist dem Wortsinn gemäß also eine Person, die Galle spuckt. Laut Definition des Dudens handelt es sich bei einem Choleriker um eine leicht reizbare, unausgeglichene, zu Jähzorn und Wutausbrüchen neigende Person.

Aber wie kam es zu der Verknüpfung eines Körperorgans mit der Wesensart eines Menschen?

Nun, die Anfänge, Menschen gemäß ihres Wesens einordnen zu wollen, reichen weit bis in das antike Griechenland vor 2500 Jahren zurück. Schon den alten Griechen fiel wohl auf, dass es unterschiedliche Arten von Menschen innerhalb ihrer Gemeinschaft, zu geben schien. Daraufhin fing man an, ein Ordnungssystem zu entwerfen. Grundlage für ein solches Persönlichkeitsmodell, so nahm man an, war der Charakter einer Person. Vor allem die altertümliche Krankheitslehre kennt den Versuch, Menschen anhand von Temperamenten zu kategorisieren. Dieser “Temperamentenlehre” nach gibt es nur 4 (Grund-) Menschentypen: den Choleriker, den Phlegmatiker, den Melancholiker und den Sanguiniker.

Später wurde dieses Persönlichkeitsmodell mit der Lehre von den vier Körpersäften verknüpft. Jedem Temperament kommt hier zusätzlich eine Körperflüssigkeit zu. Je nach Vorherrschaft der jeweiligen Körperflüssigkeit bildet sich so ein Temperament besonders hervor und wird sichtbar im Wesen der Person. Das sieht wie folgt aus:

Körpersaft Temperament Charaktereigenschaften

Rotes Blut: Sanguiniker – heiter, aktiv

Gelbe Gallenflüssigkeit: Choleriker – reizbar, erregbar

Schwarze Gallenflüssigkeit: Melancholiker – traurig, nachdenklich

Weißer Schleim: Phlegmatiker – passiv, schwerfällig

SOS: Symptome: Wie erkenne ich einen Choleriker?

Das Auftreten von Jähzorn in unserer Gesellschaft ist keine Seltenheit. Laut Theodor Itten, einem Schweizer Psychologen, hat jeder vierte Erwachsene ein Jähzorn-Problem. Und genau so scheint es auch hierzulande zu sein: Fällt der Begriff Choleriker, hat jeder von uns eine bestimmte Person aus seinem mehr oder weniger engen Umfeld vor Augen. Der Rückschluss liegt nahe, zu meinen, es gäbe den einen typischen Choleriker – das stimmt aber nicht.

Desweiteren unterliegen viele Leute der Fehlinformation, dass es sich bei jähzornigen Ausbrüchen um ein typisch männliches Phänomen handelt – dem ist nicht so. Choleriker ist keine geschlechtsspezifische Bezeichnung für einen Menschen. Frauen und Männer sind gleichermaßen betroffen. Frauen und Männer scheinen sich nur hinsichtlich ihres konkreten jähzornigen Verhaltens zu unterscheiden. So sollen Frauen eher dazu neigen, mit Gegenständen um sich zu werfen, während Männer zu körperlichen oder verbalen Angriffen neigen.

Es gibt aber eine Vielzahl an allgemeinen Merkmalen, die Personen mit cholerischen Tendenzen vereinen. Am augenscheinlichsten ist es das Aufregen über Kleinigkeiten bzw. das vermeintlich grundlose aus der Haut fahren – wie in unserem oben beschriebenen Beispiel das Papier im Büro. Desweiteren treten diese Merkmale hinzu:

  • verminderte Selbstkontrolle und geringe Frustrationstoleranz
  • wenig Kontrolle über die eigenen Gefühle
  • leichte Reizbarkeit
  • starke Emotionen
  • übersteigerte Impulsivität
  • Wutausbrüche, oft begleitet von verbaler/körperlicher Gewalt (Angriffe auf vermeintliche Schuldige/ Gegenstände werfen) und/ oder unangemessener Lautstärke
  • Dominanz
  • starkes Hierarchiedenken, Tendenz das Gegenüber kleinzumachen

“Das Gute im Schlechten”

Ein Choleriker ist nicht per se ein schlechter Mensch. Oftmals bringen Choleriker durchaus positive Eigenschaften mit.

So sind Choleriker gleichzeitig willensstark, leistungsbereit, entscheidungsfreudig, energiegeladen, dynamisch und motiviert Dinge “anzugehen”. Nach außen sind Choleriker sehr charismatische Personen, wissen häufig, wie man andere Menschen beeindrucken und von sich einnehmen kann. Hierbei handelt es sich um Eigenschaften, die häufig von Personen in Führungspositionen gefordert werden. Auch sind es Eigenschaften, die sich als gewinnbringend für ein Unternehmen erweisen können. Demnach scheint es nicht verwunderlich, dass sich Chefinnen/ Chefs später mitunter als Choleriker “entpuppen.”

Achtung: Ursachen

Laut ICD 10 (International Classification of Deseases) handelt es sich bei einem Jähzorn Problem selbst um keine klassifizierte Krankheit, cholerisches Verhalten ist vielmehr ein Persönlichkeitsmerkmal. Die Ursachen für diese Wutausbrüche können vielfältig sein. Jedoch gibt es einige Krankheiten, die in Zusammenhang mit ihnen stehen, wie zum Beispiel:

  • ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörung)
  • als Folge von Vernachlässigung aus der Kindheit
  • bestimmte Formen von Autismus
  • die narzisstische Persönlichkeitsstörung

Auch die Alltagssituationen, in denen es zu Wutausbrüchen kommt, sind recht unterschiedlich. Der Eine nutzt seine Partnerschaft, Familie und oder Freund/innen als Ventil; der Andere im Berufsumfeld seine Kollegen und Mitarbeiter. Wenn jemand privat cholerisches Verhalten zeigt, muss dies nicht zwangsläufig auch im Job gelten. Ähnliches gilt für das aufbrausende Verhalten eines cholerischen Chefs, der zuhause “lammfromm” ist.

Ein Wutausbruch verschafft kurzweilig ein Gefühl der Erleichterung. Angestaute Wut kann auf diese Art entweichen.

Von ihren Mitmenschen werden Choleriker oft als sehr unangenehm empfunden, da sich ihre Wut gegen Andere richtet, nie gegen sich selbst. Beim Gegenüber ensteht häufig ein Gefühl der Angst, Hilflosigkeit oder des Ärgers. Nicht selten leidet das Selbtbewusstsein der Betroffenen unter den Angriffen. Viele fühlen sich persönlich attackiert. Die meisten Opfer von solchen Ausrastern tendieren dazu, sich zurückzuziehen, sollte der Kontakt nicht gänzlich vermeidbar sein. (z.B. im Arbeitsumfeld)

Tipp: Beobachte genau! Wenn du wiederkehrende Muster erkennst, kannst du hiervon Handlungsstrategien für einen angenehmeren Umgang mit Cholerikern ableiten. Aus Erfahrung mit “Cholerikeropfern” hier einige mögliche Auslöser für cholerische Wutausbrüche:

Anlässe/ Auslöser/Trigger:

  • der Choleriker deutet Botschaften auf der Beziehungsebene um oder “falsch”, denkt sich verteidigen zu müssen (siehe Kommunikationsmodell von Schulz von Thun), er befindet sich ständig im Krieg
  • geringer Selbstwert, Minderwertigkeitsgefühle
  • akute Überforderung, Ohnmachtsgefühl, Betroffenheit, Stress
  • Hilflosigkeit
  • empfundene mangelnde Kontrolle über eine Situation

emotionale Unausgeglichenheit

Notfall: Folgen, Gefahren, Risiken: Lebenserwartung eines Cholerikers

Menschen mit dem beschriebenen Spektrum an Verhaltensweisen tendieren häufig durch den konstant erhöhten Herz – und Pulsschlag zu erhöhtem Blutdruck und dadurch vermehrt zu Herzinfarkten und/ oder Schlaganfällen. Es ist daher nur wenig spekulativ, anzunehmen, dass damit die Lebenserwartung herabgesetzt wird. Wünschenswert wäre für betroffene Personen, Hilfe zur Selbsthilfe, da sie oft für ihr Umfeld und sich eine Belastung darstellen können.

Erste Hilfe: Umgang mit Cholerikern

Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die Lebensbereiche Arbeitsumfeld, Partnerschaft und Hilfe zur Selbsthilfe. Den Einzelfall stellen wir kurz vor, dann haben wir für dich erste Hilfe Tipps für die heikle Situation zusammengetragen.

Umgang mit einem cholerischen Chef:

Cholerische Chefs wirken nicht nur unsympathisch, unseriös, unsouverän und unprofessionell, sie schädigen mit ihrer Art langfristig das Ansehen und den Ruf des Unternehmens. Sie stören das Betriebsklima durch ihr Verhalten nachhaltig, lösen bei Mitarbeitern Stress aus und schmälern deren Produktivität. Zudem sinkt die Mitarbeiterzufriedenheit, da das Gefühl eines respektvollen Miteinanders verloren geht.

Umgang mit einem cholerischen Partner:

Interessanterweise gibt es keine aussagekräftige Studie darüber, ob das Sexualleben unter dem cholerischen Verhalten eines Partners leidet oder nicht. Der cholerische Partner muss, wie oben beschrieben, die Notwendigkeit einer Therapie einsehen. Unterstützend kann eine Paartherapie wirken. Im Gespräch gilt es persönliche Trigger herauszustellen. Es greifen hier die gleichen Tipps zur Deeskalation wie unten gelistet, Verständnis oder die vorübergehende räumliche Trennung der Parteien.

Selbsthilfe als Choleriker:

Ausgangspunkt hier ist, dass die Betroffenen den Wunsch verspüren, an sich arbeiten zu wollen. Eine Therapie ist nur dann sinnvoll, wenn die Betroffenen selbst einen Leidensdruck erfahren. Weiterhin können unterstützend und lindernd wirken:

  • regelmäßiger Sport/ körperliche Betätigung zum Stressabbau
  • Selbstanalyse: ein Jähzorn-Tagebuch führen, Notizen machen (In welchen Situationen tritt es auf? Welche Personen sind beteiligt? Bei welchen Themen? Denn so werden Muster erkennbar)
  • möglichst offen und proaktiv mit dem Thema umgehen
  • das soziale Umfeld informieren
  • das Thema Eigenverantwortung trainieren (Erklärung “andere sind schuld” ablegen), verinnerlichen, dass ich für meine Gefühle selbst verantwortlich bin!
  • Anti-Aggressionstraining
  • Achtsamkeitsübungen, Commitment- Therapie, Verhaltenstherapie durch geschulten Psychologe
  • innerlich bis 10 zählen
  • Yoga, Entspannungs- und Atemübungen, Autogenes Training
  • (geführte) Meditationen und Hypnose, diverse Kursangebote durch einen Coach (toggle)
  • Kommunikationstraining: hinhören lernen

Beispielsweise eine endgültige Trennung vom (Ehe-)Partner und die fristlose Kündigung des Arbeitsplatzes kann als letzte Option gewählt werden bzw. ist immer dann anzuraten, wenn die eigene Gesundheit massiv unter den Attacken leidet. Sich somit dauerhafte psychische wie körperliche Warnsignale wie Leistungsabfall, Schlafstörungen, Angstzustände, Panikattacken etc. bemerkbar machen.

Um Gottes Willen: Tipps in der akuten Situation

Obwohl am besten, ist für beteiligte Dritte die dauerhafte Vermeidung eines Kontaktes aufgrund beruflicher Einbindung oftmals nicht (sofort) möglich. Dann kann das eigene Auftreten gegenüber Cholerikern entscheidend sein. Bitte vermeide am besten das Übernehmen einer Opferrolle.

  • Mach dir zuallererst klar, dass dein eigener “Anteil” für den Wutausbruch wahrscheinlich sehr gering ist.
  • Eines der schwierigsten Dinge scheint zu sein, in dieser Situation selbst Ruhe zu bewahren, aber wir empfehlen es ausdrücklich.
  • Reagiere nicht auf Beleidigungen. Kehre auf die inhaltliche Ebene zurück, erläutere sachlich den eigenen Standpunkt.
  • Tritt selbstbewusst auf und demonstriere nach Außen hin Stärke.
  • Warte den Wutanfall Hilft das nicht, ziehe dich zurück, vertage ggf. das Gespräch auf später. Lass nicht locker, bevor du einen persönlichen Termin für ein klärendes Gespräch in Ruhe unter vier Augen bekommst.
  • Sei trotzdem Mensch: Zeige Verständnis. Mach dem Choleriker deutlich, dass du seine momentane Hilflosigkeit nachempfinden kannst.
  • Wenn du es dir zutraust: Biete deine Hilfe (es wird zur Entspannung der aufgeheizten Lage führen)
  • Zeige deine eigenen Grenzen auf und halte sie unbedingt ein. Setze eindeutige (körperliche) “Stopp-Signale!” (z.B. mit der Hand), um auf die eigene Gesundheit zu achten.
  • Telefon Seelsorge 0800 111 0 111
  • In Notfällen und bei Lebensgefahr wähle 112

Lesenswert

Ortrun Riha: Konzepte: Säfte und Symbole. In: Medizin im Mittelalter. Zwischen Erfahrungswissen, Magie und Religion (= Spektrum der Wissenschaft. Spezial: Archäologie Geschichte Kultur. Band 2.19), (auch in Spektrum der Wissenschaft. 2, 2002) 2019, S. 6–11, hier: S. 10 f. (Vier Körpersäfte, vier Temperamente.)

Itten, Theodor: Jähzorn: Psychotherapeutische Antworten auf ein unberechenbares Gefühl, Springer-Verlag, Wien 2007.

Weiterlesen

Wenn dich das Thema Choleriker interessiert hat, kannst du auf unserer Seite mehr dazu erfahren sowie auch in unserer Link und Video Liste, mehr ähnliche Themen.

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